Freitag, 7. September 2012

Kritik: Compliance

"Based on a true story" ist ein sehr schwieriger Begriff, denn Regisseure und Drehbuchautoren schreiben die wahren Begebenheiten gerne so um, dass es für den Zuschauer zugänglicher ist und es auch ordentlich in den Kinokassen klingelt, meist durch ein gefälschtes Happy End, welches mit der echten Geschichte dahinter rein gar nichts mehr zu tun hat. So wurde zum Beispiel "The Pursuit Of Happyness" so umgeschrieben, als wäre Chris Gardner (gespielt von Will Smith) ein liebevoller Vater, der nur das Beste für seinen Sohn möchte und dafür alles opfert, jedoch die Wahrheit so aussah, dass sein Sohn monatelang bei seiner Mutter lebte und diese Gardner wegen Körperverletzung anzeigte, weshalb er in Wirklichkeit kurzzeitig im Knast war und sein Jobinterview verpasste.


"Compliance" rühmt sich jedoch lediglich mit "inspired by a true story", wobei dieser Film einer der ehrlichsten ist, der auf einem solchen Konzept basiert und damit sagen könnte "Fuck Will Smith and shit, that's the whole fucking true story, bro!". Dabei braucht Regisseur Craig Zobels auch gar nicht so bescheiden sein, denn wenn man mit intensiv gespielten Szenarien etwas anfangen kann, gehört sein zweites Werk zu einen der stärksten Filme dieses Jahres.


Wie sieht also die Wahrheit aus? Tatsächlich gab es von 1992 bis 2004 rund 70 Anrufe in 30 U.S.-Staaten, bei dem sich ein Unbekannter als Polizist ausgab, weibliche Angestellte von Bürgerketten und Kleinmärkten zu erniedrigenden Dingen zwang, in dem er mit seiner gespielten Autorität so überzeugend war, dass Vorgesetzte der Geschäfte ihm sämtliche Befehle leichtgläubig abkauften und folgten, bis man am 09. April 2004, beim wohl schlimmsten Vorfall in einem Mc Donalds Restaurant, das Telefonat auf David Stewart zurückverfolgte, diesen verhaftete und anklagte. Warum ist also ausgerechnet dieser Film so realitätsnah? Weil der gesamte Vorfall von einer Videokamera festgehalten wurde.


Natürlich liegt es auch daran, dass die Schauspieler ihren Job sehr überzeugend rüberbringen. Ann Down ("Garden State") ist nahezu perfekt in der Rolle als naive Filialleiterin, die davon überzeugt ist, ständig das Richtige zu tun und besonders gegen Ende bei einem Interview für offene Münder sorgt. Ihr Verlobter, gespielt von Bill Camp ("Public Enemies"), passt hervorragend in das Bild eines durchschnittlichen Vorstadtamerikaners, der überhaupt nicht weiß, was um ihm herum geschieht, aber die Situation trotzdem für seinen Vorteil schamlos ausnutzt. Besonderes Augenmerk wird jedoch auf Dreama Walker ("Gran Torino") gelegt, welche das Opfer des "scherzhaften" Anrufers spielt. Diese muss unfreiwillige Entblößungen und wesentlich schlimmere Demütigungen über sich ergehen lassen und man fühlt mit ihr mit, wie sie von Minute zu Minute immer mehr in diesem unfassbaren Szenario abstumpft.

Craig Zobel zeigt mit "Compliance" auf, in welche Abgründe Menschen bereit sind zu gehen, nur um ihre eigene Haut zu retten oder aus Angst, was für Konsequenzen auf sie zukommen könnte. Dabei sieht nie etwas irgendwie gespielt aus, da die Dialoge echt wirken und nicht wie geleckt und abgelesen, als wäre man wirklich dabei, was dazu führt, dass dieser Film schrecklich nahe an der traurigen Wahrheit herankommt. Jedoch war sich Zobel durchaus bewusst, warum er die Worte "inspired" verwendet hat, denn nicht gezeigt wird am Ende, dass der Täter zwar angeklagt, aber 2006 von jeglichen Anklagen befreit wurde.

Wer einen der stärksten Filme dieses Jahres sehen möchte, ist hier an der richtigen Stelle. Wer nach dieser Kritik jedoch nur auf kleine Nackedei-Stellen aus ist, ohne eine tiefgründige Geschichte sehen zu wollen, dem nehmen wir gleich den "Spaß" vorweg.

...und schaut lieber nochmal "The Pursuit of Happyness".

Cheers,
Chris.

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