Dienstag, 30. Oktober 2012

Rant: The Tester

Wenn man auf das vergangene Jahrzehnt zurückblickt, hatten es Gamer nicht einfach. Noch heute kann man die ewige Debatte darüber verfolgen, wie diese ganzen "Killerspiele" das Bewusstsein eines Jugendlichen verfälschen und zum Amoklauf antreiben würden. Jüngst gehörte laut des Moderators Rangar Yogeshwar in FernsehkritikTV "World Of Warcraft" zu den Spielen, in denen es überwiegend darum geht, Menschen abzuballern. Man erinnert sich auch gerne an den qualitativ hochwertig dokumentierten Bericht von RTL-Explosiv, in dem durch gewitzter Schnitttechnik und Bildbearbeitung Gamer so dargestellt wurden, dass man denken könnte Jason Russell hätte hier seine Inspiration für Kony2012 gefunden gehabt.

Zugegeben: Manche Besucher waren auch keine große Hilfe,
um dem Klischee entgegen zu wirken.

Letztendlich hat sich die Szene jedoch so entwickelt, dass man öffentlich zugeben kann, ein Gamer zu sein, ohne gleich von RTL über den nächsten geplanten Terrorakt befragt zu werden. Also muss etwas Neues her. Etwas, dass wesentlich unterschwelliger funktioniert, Gamer weiterhin in ein stereotypisches Licht rückt, ohne ihm aber gleich auf den Schlips oder das ungewaschene, schulterlange Haar zu treten. Die Antwort kommt natürlich wie immer aus Amerika. Um genau zu sein, von den Leuten, die es eigentlich besser wissen müssten. Von Spieleentwicklern.

Die Sendung "The Tester" wurde von Sony Playstation ins Leben gerufen. Das Prinzip ist im Grunde ganz nett gemeint. Man holt sich per Internetvoting ein paar Bewerber für die Show heran, diese können dann nicht nur Dinge rund um das selbige Franchise gewinnen, sondern auch einen Job als Entwickler bei Sony und die Aussicht, bei einem größeren Videospielprojekt mitwirken zu dürfen. So schön das ganze Angebot auch klingt, hat es natürlich einen Haken, der dem durchschnittlichen Stubenhocker das Blut in den Adern gefrieren lässt. Eine Sendung auf Youtube kann schließlich nicht davon Leben, dass Zocker durch Wissensfragen über Videospiele aus nur einem Franchise getestet werden, also muss etwas Originelles her, was es so vorher nur weltweit tausend Mal  in diversen umstrittenen Shows gegeben hat.


Wenn es nach den Medien ginge, sind sämtliche Gamer die Kakerlaken auf der kalten Pizza von letzter Woche gewohnt und ihnen bereiten eher die viele Bewegung des Dschungelcamp-Prinzips Schwierigkeiten, denn genauso baut sich die gesamte Sendung auf. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen sich jeden Sendetag einer neuen Herausforderung stellen um weiterzukommen, die entweder etwas mit körperlicher Ertüchtigung zu tun hat, oder schlichtweg der guten alten öffentlichen Demütigungen, von der bekanntlich eine Castingshow leben muss und die im Grunde soviel mit Videospielen zu tun haben, wie Gabe Newell mit Sport.

Awww no... stairs!

Wie man anhand der Kommentare und der überwiegenden "Dislikes" erkennen kann, kommt dieses Prinzip bei der Zielgruppe nicht sehr gut an, was zum einen daran liegt, dass Youtuber ziemlich sauer darüber sind, dass der Entertainer, Zeichner und Voiceactor "Egoraptor" alias Aaron Hansen schon nach drei Sendungen der dritten Staffel einen plötzlichen, für sie unfairen Rausschmiss erfahren musste.


Die wenigen klugen Kommentatoren, die sich manchmal zu Wort melden, finden es natürlich auch ziemlich dreist von Sony, eine solche diskriminierende, demütigende Sendung ins Leben zu rufen, die Zuschauer damit locken will, dass Gamer so stereotypisch dargestellt werden, wie man es sonst nur von schlecht recherchierten Berichten über Videospielmessen gewohnt ist und was rein gar nichts mit Gaming zu tun hat, außer ordentlich die Werbekeule für die eigenen Produkte zu schwingen.

Davon abgesehen, wird in einem Review mit Aaron Hanson erwähnt, was für "normale" Menschen dort aufgetreten sind, die einfach nur durch Schnitttechnik so dargestellt wurden, dass sie negativen Klischees entsprechen, so dass man nicht mal sagen kann, die Bewerber wären selbst daran schuld, denn diese hatten schließlich die Aussicht auf einen gut bezahlten Job, der zu ihnen passt und dazu auch noch Spaß macht und was tut man nicht alles dafür?

Viel eher stellt sich die Frage, was sich Sony dabei gedacht hatte, eine angebliche Sendung für Gamer zu produzieren, diese dann aber schamlos ins lächerliche zu ziehen. Abgesehen von den Gastauftritten von tatsächlichen Spieleentwicklern, ist es ebenfalls fragwürdig, wie viel der Qualitätstester einer Marke und ein Model - selbst aus einer Castingshow - damit zu tun haben, zu entscheiden, ob ein zukünftiger Spieleentwickler vor ihnen steht.

Es ist schon faszinierend, dass selbst Zocker nicht mehr vor den Händen der multimedialen Verblödung verschont bleiben und man muss sich nun die Frage stellen, ob Deutschland wirklich jeden Scheiß aus Amerika importiert. Wenn dem so ist, wird sich Spellbound Entertainment (heute Black Forest Games) sicherlich schon die Hände reiben, denn die können nicht genug schlechte Promotion bekommen und bestimmt steht schon ein weiterer Teil für "Arcania" an, der sicherlich neue Mitarbeiter braucht, welche kein Problem damit haben, sich öffentlich als Witzfigur darstellen zu lassen.

Cheers,
Chris

Uns Witzfiguren von "WAG" gibt es natürlich auch auf FacebookTumblr und Youtube.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen